Der aufrechte Gang

Anatomische Indizien

Australopithecus anamensis
Der Femur-Knochen von Java. Er wurde 1891 von Eugène Dubois (1858-1940) bei Trinil auf der indonesischen Insel Java gefunden. Besonders auffällig an dem Fund ist der gutwillige Tumor an der Diaphyse unterhalb des Gelenkkopfes. Das Individuum wird ihn wahrscheinlich nicht bemerkt haben und ohne Einschränkungen laufen können. Es handelt sich hierbei um einen der ältesten pathologischen Befunde aus der Menschheitsgeschichte. Zeichnung © Jan Miera 2011.

Der Australopithecus afarensis konnte aufrecht gehen. Das bezeugen uns die Fußspuren von Laetoli und zahlreiche Skelettfunde wie das Kind von Taung und Lucy. Man weiß heute, wie an einem Skelett die Befähigung zum aufrechten gehen nachgewiesen werden kann:

  • Ein zur Schädelmitte verlagertes Hinterhauptsloch, was ein Ausbalancieren des Kopfes auf der Wirbelsäule ermöglicht.
  • Die Oberschenkelknochen haben einen großem Kopf und einen langen Oberschenkelhals; eine leichte X-Beinigkeit weisst darauf hin, dass die streckfähigen Kniegelenke unter dem Körperschwerpunkt liegen.
  • Die Füße haben ein Fußgewölbe und in eine Reihe stehender Zehen (bei Menschenaffen ist die Großzehe opponierbar).
  • Beim Becken zeigt sich der aufrechte Gang durch die kurzen, breiten, nach innen gedrehten Darmbeinschaufeln zum Abstützen innerer Organe, hinzu treten die größeren Ansatzflächen für den großen Gesäßmuskel, welcher eine Streckung der Beine möglich machen.
  • Letztlich ist die S-Form der Wirbelsäule, verbunden mit einer Schwerpunktsverlagerung ins Becken, ein Indiz für den aufrechten Gang.

 

 

Der aufrechte Gang brachte allerdings nicht nur Gutes mit sich. Zu den unschönen Begleiterscheinungen gehören auf längere Sicht zum Beispiel Rückenprobleme durch den erhöhten Druck auf die Wirbelsäule, Knieprobleme, komplizierte Geburten durch die Umformung des Beckens sowie durch das Absenken des Kehlkopfes eine größere Wahrscheinlichkeit, beim Essen zu ersticken.

Entwicklung des aufrechten Ganges

Wie wir bereits erfahren haben, deuten der Schatz an fossilen Menschenfunden und Untersuchungen Mitochrondialer DNA darauf hin, dass in Afrika die Wiege des Menschen liegt. Von Platon (428/427-348/347 v. Chr.) stammt der berühmte Satz: „Der Mensch ist ein Zweifüßler ohne Federn.“ Mit dieser kurzen Beschreibung hat Platon eines der zentralen Charakteristika für die Gattung Mensch erkannt: der Mensch läuft aufrecht auf zwei Beinen. Eine der vielen interessanten Fragen, die in der Paläolanthropologie und Archäologie diskutiert werden, beschäftigt sich mit dem aufrechten Gang: wie ist es dazu gekommen, dass wir aufrecht laufen? Wir wollen euch kurz ein paar Theorien zu dieser Frage vorstellen.

Klima- und Umweltveränderungen

Aktuell geht man davon aus, dass ein Wandel im Klima die Entwicklung des aufrechten Ganges gefördert haben könnte. Der Auslöser hierfür soll demnach der große ostafrikanische Grabenbruch sein, der vor ca. 35 Millionen Jahren entstand und die klimatischen Verhältnisse maßgebend beiflußte. Der Bruch kam durch das Auseinanderdriften der afrikanischen und arabischen Platte zustande und lies das Klima einen entscheidenden Wandel in der Region nehmen. Zunächst stiegen in dem Grabenbruch große Mengen Magma auf und bildeten über 1800m hohe Gebirge. Im Windschatten dieser Gebirge kam es vor ca. 10 Millionen Jahren zu einem weiteren entscheidenden Wandel der Umwelt: der Regenwald lockerte sich auf, die Bäume verschwanden und die Affen waren gezwungen, sich auf dem savannenartigen Flachland fortzubewegen. Aus eben dieser Zeit und dieser Region stammen die ältesten bekannten Skelettfunde aufrecht gehender Vormenschen, weshalb auch ein Zusammenhang mit dem Grabenbruch vermutet wird.

Savannenübersichtshypothese

Hiernach liegt der Grund des aufrechten Ganges in dem Vorteil, dass feindlich gesinnte Tiere/Gegner etc. schon aus der Ferne, wenn man groß genug ist, erkannt werden und entsprechende Fluchtwege schnell wahrgenommen werden können.

Kühlerhypothese

Ein Problem der Lebensumstände in der Savanne seien die im Vergleich zum Wald eine vielfach erhöhte Sonneneinstrahlung auf den Körper. Der Körper, insbesondere das Gehirn, dürfen jedoch nicht einem zu starkem Hitzeeinfluß ausgesetzt werden. Auf längere Dauer gesehen, besteht die Gefahr einer "Überhitzung" mit fatalen Folgen für den Kreislauf. Durch eine aufrechte Fortbewegungsweise würde die der Sonne ausgesetzte Körperfläche extrem verringert und diese gefahr umgangen. Zusätzlich habe der Körper einen weiteren Abstand zum ebenfalls Wärme abstrahlenden Boden und könne deswegen durch Wind effizienter gekühlt werden. In diesem Zusammenhang sei vielleicht auch das Schwitzen "erfunden" worden.

Energieeffizienzhypothese

Diese These geht davon aus, der Grund des aufrechten Ganges darin bestehe, größere Strecken zurücklegen zu können.

Werkzeughypothese

Dieser These nach, habe sich die Evolution deswegen zum aufrechten Gang hinentwickelt, damit die Hände zur Herstellung von Werkzeugen frei werden. Allerdings begründet diese These nicht, warum gerade die Australopithecinen diesen Vorteil von der Evolution zugebilligt bekommen haben, letztlich beschreibt sie nur eine Folge dieser Entwicklung aber nicht ihren Auslöser.

Nahrungstransport-Sozial-Hypothese

Durch das Freiwerden der Vorderextremitäten können diese zum Aufsammeln und zum Transport größerer Mengen von Nahrung genutzt werden. Manche Wissenschaftler sehen in dieser These auch die Begründung dafür, dass das Weibchen sich ortsgebunden um die Kinder kümmert und der Mann in die ferne zieht, um von dort Nahrung anzuschleppen.

Verwendete Literatur

Autor Titel Seite
M. R. Bennett / P. Falkingham / S. A. Morse / K. Bates / R. H. Crompton Preserving the Impossible: Conservation of Soft-Sediment Hominin Footprint Sites and Strategies for Three-Dimensional Digital Data Capture. PLoS ONE 8/4, 2013 e60755
W. Henke / H. Rothe Stammesgeschichte des Menschen 106-111
D. A. Raichlen / A. D. Gordon / W. E. H. Harcourt-Smith / A. D. Foster / Wm. R. Haas Jr. Laetoli Footprints Preserve Earliest Direct Evidence of Human-Like Bipedal Biomechanics. PLoS ONE 5/3, 2010 e9769

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